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Neues Cannabisgesetz in Deutschland – Eine erste Annäherung

22. März 2024Allgemein

Am 22. März 2024 billigt der Bundesrat das Cannabisgesetz (CanG) und macht den Weg für einen Paradigmenwechsel in der Sucht und Drogenpolitik frei. Jetzt kommt’s darauf an, den gesetzlichen Rahmen im Sinne des Jugend- und Gesundheitsschutzes kompetent zu nutzen und der Suchtprävention politisch wie praktisch Gewicht zu verleihen.

Das Gesetz im Überblick

Am 23. Februar hat der Deutsche Bundestag nach langem Ringen das Cannabisgesetz auf den Weg gebracht und am heutigen Freitag billigt die Länderkammer das als Einspruchsgesetz konzipierte Gesetz. Zunächst ein Überblick die Eckpfeiler der neuen Regelungen:

Für Erwachsene gilt:

  • Ab 01. April 2024 ist der straffreie Besitz von bis zu 25g Cannabis in der Öffentlichkeit möglich
  • Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50g sowie im Eigenbau bis zu drei weiblichen blühenden Pflanzen pro erwachsene Person erlaubt. Der Schutz von Kindern muss sichergestellt werden
  • Für den Konsum in der Öffentlichkeit gelten diverse Regelungen wie z.B. Konsumverbote im Umkreis von 100 m zu kinder- und jugendrelevanten Einrichtungen
  • Die Weitergabe von Cannabis an Minderjährige bleibt strafbar – hier drohen hohe Strafen
  • Der gemeinschaftliche Eigenanbau in nicht-gewinnorientierten Anbauvereinigungen („Cannabis-Clubs“) soll ab 01. Juli 2024 folgen. In Cannabis-Clubs können sich dann bis zu 500 Mitglieder vereinen. Volljährigkeit ist die Voraussetzung für die Mitgliedschaft und für junge Erwachsene bis 21 Jahren gelten Begrenzungen für Abgabemengen und THC-Gehalt. Präventionsbeauftragte sollen den Jugend- und Gesundheitsschutz sicherstellen und Informationen zum Hilfesystem bereitstellen

Für Kinder und Jugendliche (U18) gilt:

  • Erwerb, Besitz und Anbau bleibt für Kinder und Jugendliche weiterhin verboten, wird aber nicht strafrechtlich verfolgt
  • Eine Teilnahme an Präventions- und Frühinterventionsangeboten wird angestrebt
  • Wird bei Jugendlichen Cannabis sichergestellt, sollen die Eltern informiert und in schweren Fällen das Jugendamt eingeschaltet werden
Ziele des Cannabisgesetzes

Durch das Cannabisgesetz sollen der Jugend- und Gesundheitsschutz verbessert werden, die Suchtprävention ausgebaut, Nicht-Konsument*innen gestärkt und der illegale Markt zurückgedrängt werden. Aufklärung, Eigenverantwortung, Entkriminalisierung und Schadensminimierung sind das Gebot der Stunde.

Aus Sicht der Suchtprävention begrüßen wir den Wandel in der Suchtpolitik, denn die Evidenzen sind eindeutig: Das Cannabisverbot ist gescheitert. Der Konsum steigt seit Jahren und durch ein Verbot werden faktenbasierte Aufklärung, Kompetenzstärkung und die Inanspruchnahme von Hilfen aus Angst vor Strafverfolgung erschwert.

Mehr Klarheit in der emotionalen Debatte

Fast alle haben eine Meinung zur Legalisierung und kaum ein Thema wurde zuletzt so emotional debattiert. Es gibt schon jetzt einen hohen Beratungsbedarf und verbreitete Unsicherheit, gerade weil die Debatte um die Freigabe so ideologisch geführt wird. Sowohl eine Verharmlosung als auch eine Dramatisierung von Cannabiskonsum sind wenig zielführend. Cannabiskonsum birgt Risiken und Gefahren. Gleichzeitig gibt es ebenso Wege, den Konsum risikoarm zu gestalten. Hier eine klare suchtpräventive Haltung sowie wichtige Tipps & Tricks zur Konsum- und Risikokompetenz zu vermitteln, sind ein wichtiger Beitrag zum Gesundheitsschutz. Auch deshalb sollten Präventions- und Beratungsangebote flächendeckend ausgebaut werden.

Wir finden: Jede Person hat die Chance verdient, sich über Risken von Konsum zu informieren und auf Grundlage eines breiten Pools an Ressourcen etwaige Konsumentscheidungen zu treffen.

Jetzt wird’s ernst

Damit das Cannabisgesetz die erhoffte Wirkung erzielt, braucht es neben Detailklärungen in der Umsetzung des Gesetzes jetzt vor allem ein verbindliches Bekenntnis zur Suchtprävention.

In einer Protokollerklärung zur Bundesratsdebatte kündigt das Bundesgesundheitsministerium bereits eine Aufstockung und Fortführung der Mittel und Programme zur Suchtvorbeugung an. Diesen Schritt begrüßen wir ausdrücklich.

Gleichwohl werden wir nicht müde, weitere Maßnahmen zu fordern. Gemäß des Settingansatzes wirkt Suchtprävention in den Lebenswelten der Menschen – hier braucht es dringend einen Ausbau der Angebote auf Landes- wie kommunaler Ebene sowie eine Aufstockung der Suchtpräventionsmittel im Haushaltsplan der Länder und Kommunen. In Zeiten schuldenbegrenzter Haushalte sagen wir deshalb deutlich: Sparpolitik in der Gesundheits-, Sozial- und Jugendarbeit gefährden den Erfolg des Cannabisgesetzes und würden bedenkliche Nachwirkungen haben. Es ist daher unbedingt sicherzustellen, dass die entsprechenden Bereiche mittel- und langfristig bedarfsgerecht und ausreichend finanziert werden.

Qualität und Evaluation

Mit dem Cannabisgesetz kann ein weiterer Schritt in eine moderne Sucht- und Drogenpolitik gelingen. Eine Evaluierung des Gesetzes ist unbedingt durchzuführen, um die Wirkungen auf die Bevölkerung zu beobachten und ggf. nachzusteuern. „Qualität“ ist an dieser Stelle ein wichtiges Stichwort: Schon jetzt gibt es ein breites Angebot an qualitativ hochwertigen und nachgewiesen wirkungsvollen Maßnahmen der Suchtprävention. Es ist dringend geboten, die Qualität in den Angeboten sicherzustellen und zu verhindern, dass selbsternannte „Expert*innen“ die Rolle von qualifizierten und kompetenten Präventionsfachkräften ersetzen.

Ausblick

Sicher ist: Heute ist manches noch ungeklärt und auch wir haben noch viele Fragen ans Cannabisgesetz. Die Mehrheit der Cannabiskonsument*innen konsumieren nur gelegentlich. So stellt sich die Frage, ob diese Menschen wirklich Mitglied eines Cannabis-Clubs bzw. Hobby-Botaniker*innen werden oder unkompliziert weiterhin den illegalen Markt nutzen. Der europarechtlich riskantere, kommerzielle Weg wäre sicher zielführender gewesen, um diesen Menschen die Möglichkeit zu bieten, geprüftes Cannabis niedrigschwellig zu beziehen. Diese Chance wurde verpasst.

Dennoch möchten wir an dieser Stelle dazu einladen, optimistisch und mit einer offenen Haltung auf die Gesetzesänderung zu schauen. Lassen sie es uns als Chance begreifen in der Gesellschaft die wichtige Frage zu diskutieren, wie wir mit Substanzkonsum und den entsprechenden Risiken umgehen wollen. Eine klare politische und rechtliche Rahmung bietet hierfür die Basis. Ebenso wichtig ist jedoch das Gespräch in allen Lebensbereichen: Freundeskreise, Familien, Sportvereine und Co. sind die Räume, in denen Menschen leben und voneinander lernen. Lassen sie uns darüber reden was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Wie kann ich ein gutes Vorbild sein und welchen Umgang lebe ich mit Substanzen vor? Zu diesen Fragen eine klare Haltung zu entwickeln ist sicherlich ebenso wichtig die gesetzliche Neuerung. Gelingt uns dies, dann steigt die Chance, dass die Cannabislegalisierung einen wichtigen Beitrag zum Gesundhalten der gesamten Bevölkerung leistet.

 

Weitere Informationen zur Substanz und Präventionsansätzen gibt es auf unserer Themenseite Cannabis.